Combine-Paintings

Dierk Engelken in der Galerie M.A.SH.

Von Denise Steger

18.11.2016

„Combine-Painting“, eigentlich ein Begriff aus der Pop-Art, insbesondere mit den Werken von Robert Rauschenberg aufgrund ihrer montageartigen Verknüpfung verschiedenster Alltagselemente verbunden, hat der Künstler Dierk Engelken als Titel für seine Ausstellung in der Galerie M.A.SH (ModernArt Showroom) in Remagen gewählt, die noch bis zum 26. November 2016 zu sehen ist. Dabei vernachlässigt er die kunsthistorische Besetzung des Begriffs und definiert ihn zum einen als eine Kombination von Werken aus unterschiedlichen Jahren und mit einer Kombination unterschiedlicher Techniken, zum anderen als Lesart unterschiedlicher Bewusstseinsebenen. Gemeinsam ist all diesen Werken ein zutiefst kritischer und ironischer Blick auf das Zeitgeschehen.


Dierk Engelken, in den späten 60-er Jahren Meisterschüler an der Düsseldorfer Kunstakademie, bis heute im Bundesverband Bildender Künstler aktiv, wohnt seit vielen Jahren in Bonn und leitete mehr als 20 Jahre das Studio für Kunsterziehung der Universität Bonn. Dem entsprechend fließen viele stadtbezogene Themen in sein malerisches und grafisches Werk immer wieder ein. Die kühle, eher eintönige Fassade eines Bonner Hochhauses setzt der Künstler zum Beispiel in sich überlagernden Schichten zu dem 87m hohen Torre del Mangia in Siena aus der Mitte des 14. Jahrhunderts, ein Meisterwerk schlanker Eleganz, in Kontrast und eröffnet damit die Diskussion über die Ästhetik zeitgenössischer Architektur.

      

"Verstörung", Multimedia, 80 x 60 cm, 2016

„Piccolominis Tauben – Torre Mangia in Siena, farbige Federzeichnung, Privatslg., © Dierk Engelken


Ohne Zweifel ist Dierk Engelken ein Bewunderer jener italienischen Architektur, die über Jahrhunderte hinweg an Faszination nichts eingebüßt hat.

 

"Mediterraner Traum", Rendez-vous-Technik-Multimedia, 80 x 80 cm, 2014, © Dierk Engelken

 

Dagegen greift der Künstler in seinem Bild mit dem Titel „Decke zu kurz“ den Skandal um den Bau des World Congress Center in Bonn auf: 2009 musste der Investor des ehrgeizigen Projektes SMI Hyundai Insolvenz anmelden, ein Baustopp wurde verhängt und gegen die Verursacher 2011 ein Verfahren eröffnet. Die Stadt Bonn hatte dann nach jahrelangem Streit die Fertigstellung des Konferenzzentrums mit einem immensen finanziellen Aufwand sichergestellt. Die Multimedia-Arbeit ist gespickt mit Anspielung auf diesen Skandal; als zentrales Motiv sticht ein Bett mit zu kleiner Decke hervor; diese setzt sich aus Schnipsel von zahlreichen Zeitungsausschnitten zusammen, in denen um das Gezerre berichtet wurde.

 

„Decke zu kurz (das ICCB in Bonn)“, Multimedia, 60 x 80 cm, 2014, © Dierk Engelken

Mit einem Augenzwinkern spielt der Titel „Selfie mit Ludwig“ auf die „Selfiemanie“, die allerorts sowohl bei Touristen als auch Einheimischen um sich greift, auch der Münsterplatz mit dem 1845 enthüllten Denkmal des berühmtesten Sohnes der Stadt „Ludwig van Beethoven“ ist da keine Ausnahme.  Doch der Titel ist ein witziger Anachronismus, da die Farbserigraphie von 1970 stammt, als das Wort „Selfie“ noch gar nicht in Gebrauch war. Die durch das Fischauge fotografierte Aufnahme schließt sich zu einem magischen Kreis, in der das Beethovendenkmal sich als lange Schattengestalt auf das Geschehen auf dem Platz neigt –  Die Gestalt/Rolle des Künstlers zu interpretieren, öffnet ein weites Feld und lässt den Betrachter jene verschiedenen Bewusstseinsebenen erahnen, die diese Ausstellung ausmachen.


"Selfie mit Ludwig", Farbserigraphie, 84 x 60cm, 1970, © Dierk Engelken

Das wohl ausdruckstärkste Werk der Ausstellung trägt den Titel „Der Krieg fängt in den Köpfen an“ und entstand 2014 – in Erinnerung an den 1. Weltkrieg 1914. Das großformatige Gemälde zeigt innerhalb kleinbürgerlichen Interieurs elf Gasmasken tragende Soldaten, die sich, teils sitzend, teils stehend, um einen zentralen Tisch gruppieren. Auf weißer Tischdecke stehen mehr oder weniger gefüllte Champagnergläser, eine Flasche, eine Karaffe, auch liegt dort ein kleines Buch. Die in Grisaille gehaltene Szene wird nur durch das „Gelb“ des Champagners unterbrochen, Hinweis auf das im 1. Weltkrieg verwendete Giftgas, das „Gelbkreuz“ genannt wurde – eine geisterhafte Stimmung – die Männer nehmen Abschied vom bürgerlichen Leben vor dem Zug in die Schlacht, durch die Masken bereits entmenschlichte Erfüllungsgehilfen einer Kriegsmaschinerie, der Millionen zum Opfer fielen. Im Vordergrund schiebt sich über die Szene ein Straßenzug mit zerstörten Gebäuden, nur ganz rechts unten ein kleiner Junge in orangenem Hemd und kurzen blauen Hosen, der mit einer Schaufel, die Trümmer beseitigt. Eine Generation, die zerstört und die nächste, die mit den Trümmern umgehen muss – ein Kreislauf? In 100 Jahren hat sich wohl in den Köpfen wenig verändert… eine düstere Erinnerung und Mahnung liegt dieser Darstellung zugrunde.

 

"Der Krieg fängt in den Köpfen an", Acryl auf Leinwand, 180 x 150cm, 2014, © Dierk Engelken


Die Arbeiten des Künstlers Dierk Engelken, der in den verschiedensten Techniken der bildenden Kunst meisterhaft zu Hause ist, überzeugen immer wieder durch ihre tiefen Inhalte, die sich dem Betrachter intensiv aber niemals aufdringlich offenbaren.

Die ausgesprochen sehenswerte Ausstellung ist noch an diesem und am nächsten Wochenende in der Galerie M.A.SH. zu besichtigen.

Dierk Engelken – Combine-Paintings
Galerie M.A.SH  ModernArt Showroom
Kirchstraße 25/Ecke Drususplatz, 53424 Remagen
Öffnungszeiten: Sa/So 14-17 Uhr und nach Vereinbarung
Tel. 0174 2003030
www.mashgalerie.de
www.dierk-engelken.eu

 

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