Der Totentanz von Bruchhausen

Von Elli Grawe
23.1.2014

Bruchhausen   

 

 

 

 

 

 

 

Die Katholische Pfarrkirche St. Johannes Baptist in Bruchhausen gilt wegen ihrer beiden hochverehrten mittelalterlichen Marienskulpturen seit der Mitte des 18. Jahrhunderts als eine der bekanntesten Wallfahrtsorte am Mittelrhein. Daneben besitzt die Kirche das einzige noch erhaltene rheinische Totentanzgemälde. Unmittelbar rechts am Eingang aufgehängt, zieht es den Betrachter bis heute in den Bann. Das Ölgemälde mit den Abmessungen 110 x 170cm entstand, wie sich aus der Tracht der dargestellten Personen ableiten lässt, im 17. Jahrhundert und hatte vielleicht ursprünglich die Funktion eines Antependiums. Auftraggeber und Maler (Köln?) sind unbekannt, auch die Frage, ob das Bild für die Bruchhausener Kirche geschaffen wurde, ist bis heute nicht eindeutig geklärt.

Ein reich bebilderter Codex aus dem Mainzer Raum (Ende 15. Jh., LB Kassel, MS.poet.et.roman.5.4°) und drei Druckfassungen lassen darauf schließen, dass die Darstellung des Totentanzes auch im Rheinland kein Einzelfall war und die Tradition sich Jahrhunderte lang fortsetzte. Totentanzbilder gehen bis ins frühe 15. Jahrhundert zurück. Als ikonographischer Ausgangspunkt kann wohl die 1424 vollendete Bildfolge an der Friedhofsmauer des Pariser Friedhofs Cimetière des Innocents genannt werden, der durch eine Holzschnittfolge des Pariser Druckers Guyot Marchant (1485) überliefert ist. Auch der Text des französischen „Danse macabre“ hatte unmittelbaren Einfluss auf deutsche Totentanzbilder. Die großen Pestwellen, aber auch die zahlreichen Kriege führten dem Menschen nur zu drastisch die Endlichkeit ihres Lebens vor Augen und diese suchten entsprechend im Glauben an Gott ihre Hoffnung auf eine bessere jenseitige Welt zu finden.

 

Der Totentanz von Bruchhausen, 17. Jh., Foto: M. Thuns
© Kath. Kirchengemeinde St, Johannes Baptist, Bruchhausen

Das qualitätvolle und gut erhaltene Bruchhausener Gemälde vergegenwärtigt in zwei übereinanderliegenden textunterlegten Bild-Zeilen die ständige Präsenz des Todes. Er führt als Gerippe, teils mit unterschiedlichen Instrumenten musizierend, teils mit Symbolen der Vanitas ausgestattet, die Vertreter der kirchlichen und weltlichen Stände „tanzend“ aus dem Leben. Dabei kann der Begriff Tanz durchaus zweideutig aufgefasst werden, sowohl als in der Sinneslust ergehender „Teufelstanz“, der zur Hölle führt, als auch als „Engelstanz“ zum Seelengeleit in die Ewigkeit.

Die Eckbilder der oberen Zeile spenden dem Betrachter Trost und Hoffnung auf ein erlöstes Leben: Links ein Sarg, hinter dem drei Skelette stehen, die Geige, Schalmei und Laute spielen, darunter der Text, durch den der Betrachter unmittelbar angesprochen wird: „Alhir kannstu nicht sechen,/ wer arm oder reich,/ dan je ein totter ist den/ anderen gleich.“ (Hier kannst Du nicht sehen, wer arm oder reich, denn jeder Tote ist den anderen gleich) – Ein Hinweis darauf, dass weltliche Macht und Besitz im Reich Christi nicht zählen. Die Reihe beschließt das Bild mit der Darstellung des auferstandenen Christus und dem Bibeltext (1 Kor 15,22): „Gleich wie in Adam/ alle sterben, also werden/ in Christo alle lebendig gemacht werden.“

                                                                      

Der Totentanz von Bruchhausen, 17. Jh., Details, Foto: M. Thuns
© Kath. Kirchengemeinde St. Johannes Baptist, Bruchhausen

Dazwischen reihen sich die Vertreter der geistlichen Stände in genauer Rangordnung:

Dem Papst, mit Alba, rotem Chormantel und der Tiara bekleidet, in der Linken den dreifachen päpstlichen Kreuzstab, steht ein Schalmei spielender Knochenmann zur Seite, diesem sind die Worte zugeordnet: „Ein Statthalter Christi/ warstu auf erden,/ aber ietzt mustu zu staub/ und Aschen werden.“

Es folgt der Kardinal, ebenfalls ganz in Rot gekleidet, nach dessen Hut der Tod greift: „Du warest ein grosser/ Cardinal wohlgemuth./ Jetzt tötte ich dich/ und nehme dir dein Rothen Huth.“

Dann der Bischof, gekennzeichnet durch Mitra und bischöflichen Hirtenstab, dem der Tod Schalmei-spielend vorausgeht: „Ein Bischoff warestu über/ deine Schäfflein geßestzt,/ nun komme zum Tantz,/ dich hab ich mir Zugesetzt.“

Dem Abt, in schwarzer Soutane gekleidet, mit gefalteten Händen, begegnet der Tod mit einer Harfe. Dieses Mal ist der Abt der Sprecher: „Ein hochgeehrter Abt in/ meinem Kloster ich war./ Jitzt umgibt mich des tottsgefahr“.

 

Der Totentanz von Bruchhausen, 17. Jh., Details, Foto: M. Thuns
© Kath. Kirchengemeinde St. Johannes Baptist, Bruchhausen

Der Tanz, zu dem der Tod den Domherren auffordert, wehrt dieser mit seinen Händen ab, doch auch er muss sich ergeben: „Ein Tomherren thät man/ mich intitulieren,/ aber ietzt thut der tott/ über mich triumphieren.“

Das nun folgende Bild des Priesters zeigt diesen bei einem Versehgang, die Monstranz in Händen, ihm voraus eilt der Tod mit der Versehlaterne. Vielleicht ist hier ein Hinweis auf die Pfarreigeschichte zu finden, denn der ehemalige Pfarrer Elmar Wiegelmann fand in der Bruchhausener Chronik einen Eintrag, der die Anklage eines Leutpriesters beim Generalvikariat vermerkt, da dieser die hl. Kommunion zu den Kranken und Sterbenden trug, ohne dass jemand die Versehlampe vorausgetragen habe. Seine Rechtfertigung vor dem Domherrn vermerkt, dass alle von der Pest betroffen wären und er seinen Hund hat abrichten müssen, um die Laterne zu tragen. Blick und Gesten von Domherr und Tod könnten hier weitere Interpretationen erlauben. Die Chronik berichtet im Folgenden, dass der Priester selbst an der Pest gestorben sei. Auf unserem Bild klagt er: „Mit lehren und predigen/ ich vor die Seelen thät sor-/ gen, jetzt will mir der tott/ nit ein stündlein borgen."

Der Mönch in eine schlichte Kutte gekleidet, fügt sich willig in sein Schicksal: „Bey meinem leben führte/ ich ein harten Orden./ Jetzt ergreifft mich der tott und/ bin ihm zu theil worden.“

 

Der Totentanz von Bruchhausen, 17. Jh., Details, Foto: M. Thuns
© Kath. Kirchengemeinde St. Johannes Baptist, Bruchhausen

Es folgen Nonne und Stiftsdame – die einzigen weiblichen Personen auf diesem Bild. Die Nonne spricht: „Mein Jungfrawschafft/ hielte ich unverßehrt und/ gantz, gleichwohl muß ich/ herfür am tottentanz.“ Und die Stiftsdame: „Hoffart wie auch großen/ pracht/ hab ich mehr zu nichts ge-/ macht."

 

Der Totentanz von Bruchhausen, 17. Jh., Details, Foto: M. Thuns
© Kath. Kirchengemeinde St. Johannes Baptist, Bruchhausen

Die untere Bildreihe zeigt die weltlichen Stände und beginnt, parallel zur oberen, mit dem Ranghöchsten, dem Kaiser. Der Tod hält die Sense in Händen, und spricht: „O Kaißer, dein war das/ Römische Reich, das hilfft/ dir jetzt nichts, du wirst allen totten gleich.“ Es folgt der König, wie der Kaiser in eine Ritterrüstung gekleidet, darüber ein roter Mantel und ausgestattet mit den Insignien der Macht, Krone und Zepter, aber auch ihm kommen die Worte entgegen: „Du König hast vüll landt/ und leudt, der tott das/ ietzt nicht acht und nimbt dich heut.“ Und auch dem prunkvoll gekleideten Herzog wird keine Gnade gewährt: „Ein Herzog du warest von/ hohem standt, der tott/ dich ietzt führt in sein landt.

 

Der Totentanz von Bruchhausen, 17. Jh., Details, Foto: M. Thuns,
© Kath. Kirchengemeinde St. Johannes Baptist, Bruchhausen

Im Folgenden werden der Graf, der Adlige und der Ritter vom musizierenden Tod zum Tanz aufgefordert. Dabei spricht der Graf selbst: „Einen graffen man mich/ pflegt zu nennen, aber/ der tott ietzt nicht will/ erkennen.“ Dem Ritter setzt der Tod entgegen: „Dein Ritterliche Tatten/ dich tuen loben und prei/ ssen, der tott dich einanderes/ duet weißen.“

 

Der Totentanz von Bruchhausen, 17. Jh., Details, Foto: M. Thuns
© Kath. Kirchengemeinde St. Johannes Baptist, Bruchhausen

Dem Arzt wird die Begrenztheit seiner Leistung ebenso deutlich, gemacht „O arztz kein Kraut noch/ Pflaster hast du vor den tott,/ich neheme euch all oder [ohne]/ grossem noth.“, wie dem Richter, der sich den Vorwurf der Bestechung anhören muss: „Vüll Richter geschenk und/ gaben nehmen ein, we, we/ wan der tott zu ihnen duet/ Schleichen herein.“

 

Der Totentanz von Bruchhausen, 17. Jh., Details, Foto: M. Thuns
© Kath. Kirchengemeinde St. Johannes Baptist, Bruchhausen

Doch auch vor dem niederen Volk macht der Tod, der hier auf Musikinstrumente verzichtet, keinen Halt. Der Krämer, der seine Ware auf dem Rücken trägt, wird vom Tod an der Hand genommen: „Ach du armer Kremer,/ wie tragesttu so schwer,/ deines Lebens und blei/ bens ist nicht mehr.“ Und der Bauer beklagt, dass ihn seine lebenslange harte Arbeit zum Tod geführt hat: „So gross und schwer/ mein Arbeit ist gewesen,/ so hab ich doch vor den tott/ nicht können genesen.“ Nur der Arme und Kranke sieht im Tod seine Erlösung: „In Armut und Schmerzen/ hab ich mein Tag zugebracht,/ es hat gleichwohl der tott/ ietzt meiner gedacht.“

 

Der Totentanz von Bruchhausen, 17. Jh., Details, Foto: M. Thuns
© Kath. Kirchengemeinde St. Johannes Baptist, Bruchhausen

Dieses hochkomplexe Totentanzbild, mit wechselnden Dialogen, im Einzelnen minutiös ausgearbeitet, lässt nicht nur verschiedene Lesrichtungen, sondern auch zahlreiche Interpretationsansätze zu, sowohl auf pastoraltheologischer, kunsthistorischer, soziologischer als auch musikwissenschaftlicher Ebene. Vergleiche zu weiteren noch erhaltenen Totentanzbildern bieten sich an, um hier die Besonderheiten des Bruchhausener herauszuarbeiten und ihn entsprechend näher einzuordnen. Ein sorgfältiges Studium der örtlichen Chroniken wäre hier genauso wichtig wie ein profundes Wissen über die Entstehungsgeschichte der Totentänze und ihrer Ikonografie im Allgemeinen.

Die kleine Schrift von Elmar Wiegelmann hat hier einen guten Anfang gemacht; sie ist in der Kirche St. Johannes Baptist in Bruchhausen für 3 Euro erhältlich:

Wiegelmann, Elmar: Der Totentanz von Bruchhausen, hrsg. Kath. Kirchengemeinde St. Johann Baptist, Bruchhausen 1998.

 

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