Von Denise Steger
1.9.2013
Südlich von Koblenz, in dem kleinen Rheinort Spay, hat sich die Künstlerin Ute Krautkremer einen Traum verwirklicht – den Bau eines Ateliers ausschließlich aus CO2-neutralem, energieeffizientem Holz, entwickelt von dem Architekten Andreas Roll. Der zweistöckige Bau, der als so genanntes „Leuchtturmprojekt“ im Rahmen der Holzclusterinitiative von der EU gefördert wurde und als Arbeits- Lager- und Ausstellungsraum dient, bildet in seiner Architektur eine Einheit mit den Arbeiten der Künstlerin, die im wesentlichen ihre Ideen und Materialien aus der sie umgebenden Natur schöpft. In einem speziell entwickelten und erprobten Papierabgussverfahren schafft Ute Krautkremer ein unerschöpfliches Formenrepertoire, das von großformatigen Wandreliefs bis zu frei im Raum schwebenden Skulpturen reicht.
Ihre ursprüngliche Arbeit als Keramikerin hat Ute Krautkremer längst hinter sich gelassen, war ihr die „Umfomung“ eines Raumes und die damit verbundene Trennung von „Innen und Außen“ zu starr und für die Umsetzung ihrer Ideen nicht mehr ausreichend. Papier dagegen – als einen Gegenstand überformendes Material, bot ihr nicht nur eine leichte, dünnwandige Hülle, sondern auch den Blick sowohl auf die Außen- als auch auf die Innenseite des Abgusses – ein auf beiden Seiten sichtbarer Raum, der ein ständiges Um- und Ineinandergreifen erlaubt und als Negativ-Form erkannt werden kann.
Die Gegenstände, die die Grundlage ihrer Formen bilden, sind Fundstücke aus dem Leben der Künstlerin, Relikte von Menschen, Gebäuden und der Natur selbst: Der Abdruck eines Teils einer Kirchenbank, das Stuckrelief aus einer benachbarten Villa, ein Baumstamm, Zweige, Treibgut aus dem Rhein, in Spay ans Ufer gespült…aber auch Heizungsgitter, Maschendraht, Zäune oder zum Beispiel Rohrmatten - Schilfrohre, vom Menschen zu einem bestimmten Zweck bearbeitet und mit Drähten zusammengebunden, über die Jahre abgenutzt und dem Verfall preisgegeben – in ihrem Ist-Zustand von Ute Krautkremer als ästhetisches Objekt erkannt und durch sie in einen neuen Zustand gebracht – einerseits Dokument des Werdens und Vergehens, anderseits in der künstlerischen Bearbeitung zu einem abstrakten Kunstwerk stilisiert.
Kurt Schwitters´ Begriff der „Umwertung“ erfährt hier eine neue Wendung: Die Transformation von Gegenständen als Negativ-Abdruck auf pergamentartigem Stoff, mit Farbe akzentuiert, auf Holz aufgezogen, mit Farbflächen rhythmisiert, eingebunden in eine großflächige Komposition. Die Überbleibsel der Vergangenheit, als solche durchaus noch erkennbar, aber der Natur längst entwachsen, präsentieren sich in den Werken der Künstlerin, wie zum Beispiel in „Rheinschätze“ oder „Alles im Fluss“ nun in der Gegenwart – zeitlos.
Wer das Atelier von Ute Krautkremer betritt, taucht ein in eine Arbeitswelt, die vom Suchen und Finden, vom Experimentieren, vom tiefen geistigen Eindringen in Materialien, vom Ringen um Kompositionen erzählt. Die fertigen Werke bestechen durch ihre Vielschichtigkeit und geben dem Betrachter die Möglichkeit, auf Entdeckungsreise zu gehen, anders zu sehen, neu zu denken, den Standpunkt zu wechseln und Innen und Außen zu hinterfragen.