Vergessene Kunst

Das Werk des Kupferstechers Joseph von Keller

Von Denise Steger
5.1.2014

Keller   

 

 

 

 

 

 

In einer Zeit vor der Fotografie wurden Kunst-Reproduktionen durch die graphischen Künste, im Wesentlichen durch den Kupferstich erstellt. War zu Beginn des 19. Jahrhunderts „Kunst“ noch ein hoheitliches Privileg, fand sie im Verlauf der Zeit Eingang in bürgerliche Kreise. Reproduktionen der großen Meisterwerke waren gefragt und wurden erworben. Auch nahm im Hinblick auf den wiedererstarkenden rheinischen Katholizismus im Konflikt mit dem preußischen Staat die Nachfrage nach religiösen Motiven stark zu. Joseph von Keller (1811-1873), Professor und Leiter der Kupferstecherklasse an der Düsseldorfer Kunstakademie, war ein Meister seines Fachs; heute ist er so gut wie in Vergessenheit geraten.

Als erstes von 10 Kindern in kleinstädtischen Verhältnissen aufgewachsen, verbrachte er 6 Lehrjahre in der Bonner Kupferdruckerei Schulgen-Bettendorff, doch sein großes Ziel war ein Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie. Durch sein großes Talent und seine schon damals hervorragenden technischen Leistungen gelang es ihm, Kontakt zu dem damaligen Akademiedirektor Wilhelm von Schadow zu knüpfen und in den Akademiebetrieb einzutreten.

Sein wohl größter Auftrag im Namen des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen bestand in der Reproduktion eines der legendären Wandgemälde Raffaels in den Stanzen des Vatikans, der so genannten „Disputa“. Papst Julius II. (Regierungszeit 1503-1513) hatte Raffael den Auftrag erteilt, die Säle im 2. Stock des Vatikanpalastes mit Fresken zum Thema „Das Wahre, das Gute, das Schöne“ – die drei höchsten Prinzipien menschlichen Geistes, auszumalen. Das göttlich Wahre wurde durch das Bild der „Theologie“ repräsentiert und von dem italienischen Kunstschriftsteller Vasari als „Disputa“ bezeichnet.

 

Joseph von Keller: Die Disputa, Kupferstich, , 93 x 119,5 cm, 1846-1857, Stadtarchiv Linz (1. Probedruck), Foto: Ulrich Dohle,
© Stadtarchiv Linz.

Zusammen mit seiner Frau Berta und seinem Bruder Franz brach Joseph Keller 1841 nach Rom auf, um das Wandgemälde zu kopieren. Der dreijährige Romaufenthalt war nicht nur ein finanzielles Abenteuer sondern brachte ihn auch physisch an den Rand seiner Kräfte. Die akribische Vorzeichnung in maßstabgetreuer Verkleinerung hat sich bis heute, wenn auch in labilem Zustand erhalten (Berlin, SMPK, Kupferstichkabinett). An der Vollendung der Kupferplatte arbeitete Keller 12 Jahre. 3000 Drucke wurden realisiert, nach den ersten 700 musste die Platte nachbearbeitet und verstählt werden, – übrigens war es der mit den Maßen 95 x 120 cm größte Kupferdruck der bis dato je erstellt wurde.

                                          

Joseph von Keller: Madonna nach dem Altargemälde von Ernst Deger in der Apollinariskirche bei Remagen, Kupferstich u. Kaltnadel, 67,5 x 44,5 cm, 1856-1857, Stadtarchiv Linz, Foto: Ulrich Dohle, © Stadtarchiv Linz.

Joseph von Keller: Die Himmelskönigin nach dem Altargemälde von Ernst Deger in der Andreaskirche in Düsseldorf, Stahlstich mit Kaltnadel und Punze, 59 x 37,5 cm, 1838-1840, Stadtarchiv Linz, Foto: Ulrich Dohle, © Stadtarchiv Linz.

Neben der Aufgabe, die Kupferstecherklasse an der Düsseldorfer Akademie zu großem Erfolg zu führen und den vielen Aufträgen, so auch Reproduktionsstiche der Madonnen des Nazareners Ernst Deger, Altargemälde in der Apollinariskirche bei Remagen und der Andreaskirche in Düsseldorf, wagte sich Joseph Keller im Jahr 1858 noch einmal an ein großes Projekt: Die Umsetzung von Raffaels Sixtinischer Madonna aus der Galerie „Alte Meister“ in Dresden.

                     

Joseph von Keller: Die Sixtinische Madonna, Original Kupferplatte 1871, Altes Rathaus Linz, Foto: Ulrich Dohle, © Stadtarchiv Linz.

Joseph von Keller: Die Sixtinische Madonna, Kupferstich und Kaltnadel, 1862-1871, Stadtarchiv Linz (1. Probeabzug mit handschriftlichem Zusatz Kellers), Foto: Ulrich Dohle, © Stadtarchiv Linz.

Ein solches Gemälde mit graphischen Mitteln zu realisieren, die feinsten Farbnuancen in Schwarz-Weiß-Schattierungen zu übertragen, dem Engelschor im Hintergrund die adäquate Lichtfülle zu geben, zeugt nicht nur vom hohem technischen Können, sondern von der Kunst, sich in das vorgegebene Werk hineinversetzen zu können und hieraus die Fähigkeiten zur Umsetzung zu entwickeln. Keller selbst bezeichnete diese neu gesteckte Aufgabe als ein „großes und schwieriges Unternehmen“. An der 93 x 68 cm großen Platte arbeitete Keller von 1862-1871. Bis zur Vollendung wurden sieben Probeabzüge genommen, die den perfektionistischen Anspruch des Kupferstechers dokumentieren.

Großes Lob und volle Anerkennung erhielt Joseph Keller von Anton Springer, der sich im Juli 1871 in der Kunstchronik äußerte. In seinem Artikel kommt Springer sehr deutlich auf die Schwierigkeiten zu sprechen, das unübertreffliche Gemälde Raffaels in einen Stich umzusetzen und konstatiert, dass Keller hier eine Meisterleistung vollbracht habe.

In Anerkennung seines Werkes erhielt Joseph Keller die Ehrenmitgliedschaften der Kunstakademien von Berlin, Wien, St. Petersburg und Paris. An Orden trug Joseph von Keller den päpstlichen Gregoriusorden (1859), den Roten Adlerorden 4. Klasse (König Wilhelm III von Preußen 1858), den Belgischen Leopoldsorden (1860), den Roten Adlerorden 3. Klasse mit Schleife (1869), den Preußischen Kronenorden 3. Klasse (1871) den Komtur des sächsischen Albrechtordens (1871), den Komtur des päpstlichen Silvesterordens (1871), den Württembergischen Kronenorden 1. Klasse, verbunden mit der Erhebung in den persönlichen Adelsstand (1872) und den Österreichischen Franz-Josephs-Orden (1849).

Der Meister starb 1873 und hinterließ seine Frau und fünf Söhne. Ein Großteil seines Werkes wird heute im Museum Kunstpalast in Düsseldorf und im Archiv seiner Heimatstadt Linz aufbewahrt.

Einen ausführlichen Aufsatz von Andrea Rönz zu Leben und Werk des Kupferstechers Joseph von Keller:

http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/persoenlichkeiten/K/Seiten/JosephvonKeller.aspx

 

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