Farbe - Zeichen - Raum

Ulla Windheuser-Schwarz im Portrait

Von Denise Steger
9.2.2014

UWS 

Anlässlich des 70. Geburtstages der Bildhauerin und Malerin Ulla-Windheuser-Schwarz widmet ihr das Roentgen-Museum Neuwied  vom 9.2. – 30.3.2014 eine umfangreiche Ausstellung. Der Text zur Einführung ist nachstehend veröffentlicht: Farbe – Zeichen – Raum ist der Titel dieser Ausstellung, der die drei  wichtigsten Elemente in Ulla Windheuser-Schwarz´ mehr als 50-jährigem, bildhauerischen und malerischen Schaffen beschreibt. In dieser Ausstellung  präsentiert sie rund 60 Werke, die bis auf wenige Ausnahmen in den letzten 10-15 Jahren entstanden sind, einige von ihnen erst im letzten Jahr, so dass der Geruch der Ölfarbe noch nicht ganz abgeklungen ist. Allen Werken liegt ein für den Stil von Ulla Windheuser-Schwarz charakteristisches Ordnungs- und Anlageprinzip zugrunde – ist es doch eine vordringliche Aufgabe der Kunst, unser inneres Chaos der Gedanken und Gefühle und auch das einer diffusen Welt zu ordnen und in Form und Farbe zu bannen, die uns als Betrachter in der Anschauung immer wieder aufs Neue herausfordert. 

Obwohl Ulla Windheuser-Schwarz sich durchaus auch auf dem Gebiet der gegenständlichen Malerei bewegt, hat Sie für diese Ausstellung neben abstrahierenden Landschaftsassoziationen im Wesentlichen nichtgegenständliche Werke gewählt.

Auch die Ausstellung selbst folgt in ihrem Aufbau einer klaren Ordnung, die sich in die Räumlichkeiten des Roentgen-Museums fügt: Betreten wir den Raum rechts von dem Treppenaufgang – so empfängt uns „Farbe“ – ein überwiegend lichtdurchflutetes Blau, changierend zwischen Wasser und Himmel. Bilder, die die Titel „Zwischen Tag und Nacht“, „Himmelblau-Rosa“, „Submarin“, „Im Fluss“ oder „Denizli“, was auf Türkisch „am Meer“ heißt, tragen – Reminiszenz an die zahlreichen Arbeitsaufenthalte von Ulla Windheuser-Schwarz in Aserbeidschan – künden von Ferne, Sehnsucht, Weite, aber auch von märchenhaften Gestalten wie „König“ oder „Mondvogel“. Sie beschwören im weiteren Sinne ein romantisches Prinzip, das sich in der mit rot-weiß-gelb-Tönen durchsetzten Farbskala in Blau spiegelt und den Mond, verbindendes Element zwischen Traum, Wirklichkeit, Orient und Okzident als Begleiter hat. Die silber-blau schimmernde Spiral-Plastik aus Zink und Acrylglas schließlich ergänzt in ihrer Dynamik den Faktor Zeit und Raum in ihrer Unendlichkeit.

            

"Denizli" (Am Meer), Öl/Leinwand, 80 x 100 cm, 2004
"Himmel-Blau-Rosa", Öl/Leinwand, 80 x 100 cm, 2010
Foto: Denise Steger © Ulla Windheuser-Schwarz/VG Bild-Kunst Bonn 2014

Dem „Zeichen“ sind die beiden mittleren Räume vorbehalten, dessen Begleiter natürlich die Farbe bleibt. „Ich schreibe Dir einen Brief“ – „Mail“ oder „Dialog“ sind die Titel der Werkserien, die uns in die Welt der Kommunikation, des Gesprächs, der Mitteilung, des Skriptur führen. Malerei und Literatur – ein weites Feld, doch es sind Bilder ohne Worte, ohne Buchstaben, auch keine Hieroglyphen, aus deren Reihung sich eine konkrete, allgemein verbindliche Aussage erschließen ließe. In den Bildern, in der Anlage vor teils dunklem, teils hellem Hintergrund, treten in der Vertikalen und Horizontalen sich ausbreitende Rechtecke oder Quadrate hervor, darüber oder darunter sind Zeilen gelegt. In den "Brief-Bildern" verdichten sie sich zu punktierten Linien, die die gesamte Fläche horizontal überziehen.

             

“Ich schreibe Dir einen Brief“, Öl/Leinwand, 60 x 80 cm, 2009
“Ich schreibe Dir einen Brief“, Öl/Leinwand, 60 x 80 cm, 2009
Foto: Denise Steger, © Ulla Windheuser-Schwarz/VG Bild-Kunst Bonn 2014

Was unterscheidet diese Bilder von geschriebenen Briefen? – im übertragenen Sinne eigentlich gar nichts. Es sind geschriebene Briefe auf Leinwand, doch ihre Mitteilung ist in Zeichen und Farben gebunden, die Nachricht ist eine universelle, die Lesrichtung beliebig. Sie sind in der Sprache der Kunst verfasst, an einen Künstlerfreund oder eine Künstlerfreundin gerichtet, die diese Sprache versteht, aber auch an alle, an den Betrachter, der diese Briefe ohne Übersetzer lesen kann, denn es steht ihm frei, diese Sprache zu deuten und in ihr Erkenntnis zu finden.

Bei der 6-teiligen Bildserie „Dialog“ handelt es sich ausnahmsweise nicht um Ölgemälde, sondern um Papiercollagen, über die kräftige schwarze und violette Zeichen Kreuz-Kreis-Drei- und Viereck gelegt sind – eine Reminiszenz an die Mainzer Künstlerfreundin Rita Eller, mit der Ulla Windheuser-Schwarz vor einigen Jahren gemeinsam eine Ausstellung bestritt, deren Thema um die „Schrift“ kreiste. Auch hier begegnen uns die für die Künstlerin typischen geometrischen Zeichen die in einem farbigen Dialog stehen; und uns begegnen auch hier wieder punktierte Linien, etwas größere in Blau, die die Felder horizontal, vertikal oder auch diagonal durchziehen und, als zusätzliches Strukturelement, viele kleine in Weiß, die ein horizontales Netz spannen . Vielleicht könnte man sie als „Gedankenpunkte“ bezeichnen.

              

„Dialog“ – Papiercollagen, 6-teilig, - Gesamtansicht und Detail
Foto: Denise Steger, © Ulla Windheuser-Schwarz/VG Bild-Kunst Bonn 2014

Diese punktierten Linien begegnen uns auch auf einigen Bildern der Werkserie mit dem Titel „Aus-Schnitt“. Die Idee und die Bildanlage dieser über einen großen Zeitraum geschaffenen Werkserie geht auf eine vor vielen Jahren errichtete Großskulptur zurück, die für den Standort „Marlberg“ – in unmittelbarer Nähe von Ulla Windheuser-Schwarz Wohnsitz – vorgesehen war und bis heute auf dem Terrain ihres Anwesens Aufstellung fand – eine Architektur in der Landschaft, die Durchblicke und Ausblicke auf die Natur freigibt. Immer wieder hat die Künstlerin, sowohl in Skulpturen als auch Gemälden das Grundmotiv Ausblick/Ausschnitt: vom unteren Bildrand aufstrebende, in der Horizontalen locker verbundene Rechtecke, in vielfältiger Weise variiert, paraphrasiert und weiterentwickelt. Hier in der Ausstellung begegnen uns jene aufstrebenden „Ausschnitte“, die sich von einem eher unspezifischen Hintergrund absetzen. Treten sie in dem Bild „Himmelsausschnitt“ als hellblaue Balken leuchtend aus dem Schwarz hervor, so finden wir bei den Werken aus dem Jahr 2007 in den in Rede stehenden Bildpartien sowohl grün-rote Farbvarianten als auch die skriptualen Musterverläufe.

       

Himmelsausschnitt, Öl/Leinwand
Aus-Schnitt, Öl/Leinwand 2007
Foto: Denise Steger, © Ulla Windheuser-Schwarz/VG Bild-Kunst Bonn 2014

Dass Ulla Windheuser-Schwarz in ihrem Werk immer wieder die Verbindung ihrer bildhauerischen Tätigkeit mit der malerischen sucht, dass diese sich gegenseitig bedingen und befruchten, ist evident. Vergessen wir auch nicht, dass ein Großteil ihres Werkes von „Kunst am Bau bestimmt ist“ und ihre Groß-Plastiken in vielen rheinland-pfälzischen Städten und Institutionen präsent sind.

In dieser Ausstellung begegnen wir 5 Kleinplastiken aus Schiefer und Hartbasalt, in denen das Motiv der Skriptur subtil verarbeitet ist: Mit „Das Buch“ ist ein auf der Vorderseite zweigeteiltes Parallelogramm betitelt, dessen leicht gewölbte Oberfläche mit kleinen blattgoldbelegten Einkerbungen strukturiert ist, während auf der glatten Rückseite ein bronzenes Band Zusammenhalt schafft.

                

„Das Buch“, Schiefer/Blattgold/Bronze, 40 x 38 x 8 cm, 1998
Foto: Denise Steger, © Ulla Windheuser-Schwarz/VG Bild-Kunst Bonn 2014

Die 5-seitige Skulptur „Memory“ zeigt mit Bronze eingelegte Linien und Punkte – vergleichbar einer Klaviatur; auf zwei weiteren Flächen eine Reduktion des Motiv-Repertoires – besonders interessant ist auf der Oberseite eine golden-schimmernde Spirale – energetischen Zentrum dieses kräftigen Basaltobjekts.

            

„Memory“, Hartbasalt/Bronze, 30 x 25 x 20 cm, 2013, Gesamtansicht und Detail
Foto: Denise Steger, © Ulla Windheuser-Schwarz/VG Bild-Kunst Bonn 2014

Auch bei den Plastiken „Stone of protection“ und „Stein des Büyüme“ und „Stein des Gül“ sind in die Form eingelassene Zeichen evident. Und immer wieder finden sich türkische Titel – die die Durchdringung zweier Kulturen beschwören, und in ihrem Ursprung auf die langjährige künstlerisch ausgesprochen fruchtbare Ateliergemeinschaft mit dem Aserbeidschanischen Künstler Rashid Ismail zurückgehen.

Im letzten Raum dieses kleinen Rundgangs steht wiederum die Farbe im Mittelpunkt: Im Gegensatz zum kühlen Blau ist es hier das warme tiefe Rot, das den Betrachter empfängt. Starke Gefühle, Eros, Feuer, Dynamik und Energie, unmittelbar und authentisch, beherrschen den Raum. In dem Gemälde „Rotation“ zum Beispiel werden Farbfelder regelrecht in einen Strudel kreisender Bewegungen gezogen; die Bilder „Rot in Rot“ und „Kreise in Rot“ beschwören in ihren Zentren einen magischen Zirkel. In diesen Bildern offenbart sich auf direktem Wege das Herz und die Seele der Künstlerin: „Herzblut“ – ein Bild voller Leidenschaft, das sich aus dem quadratischen Zentrum, dessen starke Substanz mit reliefartig aufgetragener Farbe hervorquillt, ergießt.

 

„Herzblut“, Öl/Leinwand, 100 x 80 cm, 2008
Foto: Denise Steger, © Ulla Windheuser-Schwarz/VG Bild-Kunst Bonn 2014

„Engel“ – ein Motiv, das seit der Antike Eingang in die Kunst fand, weiß Ulla Windheuser-Schwarz auf ihre eigene Weise zu interpretieren. Es entbehrt einer Gestalt –Engel sind nicht sichtbar sondern nur spürbar in ihrer Bewegung zwischen Himmel und Erde. Zwei Halbkreise am oberen und unteren Bildrand sowie lineare vertikale Verbindungen reichen aus, um die Beziehung zwischen Mensch und Schutzwesen zu bezeichnen. Das Himmelssegment, vergleichbar mittelalterlicher Apsisdarstellungen, ist durch einen schwarzen Ring umschlossen, denn das Göttliche ist so hell, dass es für uns im Schatten liegt – das hellste Licht ist dunkel.

 

„Engel“, Öl/Leinwand, 100 x 80 cm, 2006
Foto: Denise Steger, © Ulla Windheuser-Schwarz/VG Bild-Kunst Bonn 2014

Das glühende Rot, gepaart durch Schwarz und Weiß, akzentuiert oder gebändigt durch geometrische Formen, ist auf allen diesen Bildern präsent. Die Metaphysik von Farbe und Form zum Beispiel wird in dem Bild „Stratum“ evident. Dieses im letzten Jahr entstandene Werk ist mehr als eine Komposition, mehr als ein Gefühl, in seiner Schichtung archaisch, eine Darstellung der Evolution per se, vielleicht auch Ausdruck einer Form des Gebets im Dialog mit dem Geist.

 

„Stratum“ Öl/Collage/Leinwand, 100 x 80 cm, 2013
Foto: Denise Steger, © Ulla Windheuser-Schwarz/VG Bild-Kunst Bonn 2014

Ein zusammenfassender Blick auf die Ausstellung macht die Universalität von Ulla Windheuser-Schwarz´ Schaffen deutlich: Sie erzählt von Ferne und Nähe, von Kommunikation und Dialog, Magie und Unaussprechlichem, vom Inneren und Äußeren, von Himmel und Erde, der Welt und Gott…, eingebunden in die Durchdringung von Farbe – Zeichen – Raum.

Ausstellung vom 9.2. – 30.3.2014, zu der Ausstellung erscheint ein Katalog.

Roentgen-Museum Neuwied, Raiffeisenplatz 1a, 56564 Neuwied

www.roentgen-museum-neuwied.de

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