Will Glahé

Polka mit 78 Umdrehungen

Von Reinhard Zado
15.1.2015

Glahe   

 

 

 

 

 

 

KNACKEN UND RAUSCHEN - Wenn damals in den 1950er-Jahren Freunde zu Besuch kamen, alle rund um den Rauchertisch saßen und bei guter Stimmung waren, dann wurde die Musiktruhe in Betrieb genommen. Die linke Seite hatte eine kleine verspiegelte Bar und wenn dann die hochpolierte Schiebetür bewegt wurde, sah man den mechanischen Plattenwechsler. Bis zu zehn Scheiben aus schwarzem Schellack konnten hiervon hintereinander abgespielt werden. Der Tonarm ertastete die Größe der Schallplatte, es gab drei Sorten, die Platte fiel dann auf den Plattenteller und los ging‘s mit Knacken und Rauschen, mit 78 Umdrehungen. Die Diamantnadel saugte die Musik aus den Rillen. Und was hörte man? Filmmelodien, Schlager und Akkordeonstücke von Will Glahé! 

WILL GLAHE  – AUFSTIEG UND ERFOLG

Will Glahé, eigentlich Gustav Adolf Wilhelm Glahé, wurde am 12. Februar 1902 in Wuppertal geboren und wuchs in Elberfeld auf. Nach erfolgreichem Abschluss der Schule in Leverkusen begann Will Glahé mit dem Studium von Klavier, Dirigieren und Musiktheorie am Konservatorium in Köln. Mit abendlichem Klavierspiel in Kölner Cafés und Varietés, u. a. dem Kölner Kaiserhof, und in Kinos finanzierte er sein Studium. In dieser Zeit spielte er zudem als Pianist in einem Kölner Kammertrio.

Die Zeiten nach dem Ersten Weltkrieg waren schlecht, Geld hatte keinen Wert. Das Studium in Köln war beendet, man sehnte sich nach besseren Zeiten. All dies bewog den jungen Glahé, seinen Weg als Unterhaltungsmusiker zu suchen.

Er hatte hier und da Auftritte, etwa in Bad Neuenahr in der Westend-Diele. Dort spielte Glahé als Pianist Anfang der 1920er-Jahre in einem Quartett mit dem Nahmen The Kentucky Jazz-Band. Nach einigen Jahren, in denen sich Glahé zunehmend einen Namen machte, wurde der bekannte Geiger und Orchesterleiter Dajos Béla auf den jungen Musiker aufmerksam und rief ihn 1929 in sein Orchester. Dort spielte Will Glahé als Pianist und Akkordeonspieler bis 1931. Seit Mitte der 1920er-Jahre, in der ersten Blütezeit der Jazzmusik, gab sich Béla, wie viele seiner Kollegen, große Mühe, talentierte Musiker zu finden und hatte bereits 1927 ein international besetztes Ensemble, zu dem Musiker wie der Pianist und Sänger Rex Allen und der Banjo-Spieler Mike Danzi zählten. Das Ensemble nahm in wechselnder Besetzung auch unter den Namen The Odeon Five, Mac’s Jazz Orchestra und Clive Williams Jazzband Schallplatten auf.

In den kommenden Jahren etablierte sich Glahé als Musiker und seine Karrierekurve zeigte nach oben. Es erschienen die ersten Schallplatten mit seinem Duett-Partner Joe Alex und die Plattenfirma Electrola klopfte bei ihm an. Man war 1933 auf den jungen Will Glahé aufmerksam geworden und nahm ihn unter Vertrag. Eine internationale Musiker- und Plattenkarriere nahm ihren Anfang.

Auf der ersten Aufnahme für die Electrola, die im September des Jahres 1933 entstand, ist Will Glahé als Leiter eines Orchesters zur Begleitung von Gustaf Gründgens aufgeführt. Glahé agierte als Arrangeur und Orchesterleiter, das Repertoire umfasste Volksmusik, Tanzmusik und Schlager. Je nach Bedarf wurde die Zusammensetzung seines dann auch nach ihm benannten Orchesters speziell ausgewählt. So stellte er für volkstümliche Musik eine Musette-Besetzung zusammen: Akkordeon, zwei Violinen, Piano, Gitarre, Bass und ein Schlag- zeug sorgten für den typischen Klang.

Anders war die Besetzung für Schlager und Tanzmusik. Fünf Klarinetten/Saxophone, zwei Trompeten, zwei Posaunen, Violine, ein oder zwei Klaviere, Bass bzw. Tuba, Schlagzeug und Akkordeon bildeten die Standardbesetzung. Meist spielte Will Glahé das Klavier selbst. Immer wieder wurden diese Besetzungen ergänzt, verändert und dem jeweiligen Bedarf angepasst.

So entstand der für Glahé typische, unverwechselbare Sound sowohl bei der Volksmusik als auch bei der Musik seiner Big  Band. Heute sind die Aufnahmen, gepresst auf Schellack, bei Sammlern begehrte Objekte. Hier finden wir beispielsweise die Titel Cherokesen Fox, Some of These Days oder Reisefieber.

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Will Glahé wurde mit seiner Musik im ganzen Land bekannt, vor allem durch seine Schallplatten, aber auch durch viele Gastspiele. Ebenso war er im Rundfunk zu hören und stand als Solist bei den ersten Fernsehsendungen vor der Kamera. Sein Erfolg reichte sogar „über den großen Teich“ bis nach Amerika. Dort machte er mit der Beer Barrel Polka, wie sein Hit Rosamunde im englischsprachigen Raum hieß, Furore. Als erster Europäer erreichte er damit im Juni 1939 den Spitzenplatz der US-Pop-Charts. Der Titel, der 1946 in den USA zu den 20 weltbesten Schallplattenaufnahmen gezählt wurde, bescherte Glahé nach dem Verkauf von über einer Million Exemplaren die erste Goldene Schallplatte seiner Laufbahn.

Will Glahé legte besonderen Wert auf den letzten Buchstaben seines Namens mit dem Akzent „é“. Es dauerte in der Zeit des Nationalsozialismus nicht lange, bis es Ärger mit der Reichsmusikkammer gab. Der Akzent verstieß damals gegen Anordnungen der Reichsmusikkammer, in denen es hieß, die Führung von ausländischen oder ausländisch klingenden Decknamen bzw. Künstlernamen sei untersagt. Da Will Glahé sein ausländisch scheinendes „é“ mit dem Akzent nicht sofort änderte, gab es eine offizielle Verwarnung der Reichsmusikkammer. Von nun wurde der Name ohne Akzent über dem e auf den Plattenetiketten gedruckt. Nach Kriegsende fand man wieder zur alten Schreibweise zurück.

DIE KRIEGSJAHRE

Wie viele andere Künstler wurde Will Glahé während des Krieges in der Truppenbetreuung eingesetzt. Man gab Wehrmachtskonzerte, die in der finsteren Zeit der Aufmunterung der Soldaten und der Steigerung der Kampfmoral dienen sollten. Ab dem Jahr 1941 gehörte er dem Soldatensender Belgrad an. Gegen Ende des Krieges wurde Will Glahé noch als Soldat eingezogen und geriet in englische Kriegsgefangenschaft. Als er nach Kriegsende verletzt in einem Lazarett lag, wurde eine Gruppe schottischer Musiker auf ihn aufmerksam. Sie überredeten ihn, als Kapellmeister mit ihnen zu arbeiten. Mit den Cameronians spielte er dann, solange die Soldaten in Deutschland stationiert waren.

ERFOLG IN DEN 1950ER JAHREN

Aus der Kriegsgefangenschaft entlassen, trat Will Glahé 1947 wieder öffentlich auf. Sein Publikum hatte ihn nicht vergessen, und es ging mit der Musik weiter. Schon bald stand er wieder vor dem Mikrofon, zunächst bei Telefunken unter Vertrag. 1948 schloss er einen Exklusiv-Vertrag mit der international agierenden Plattenfirma Decca in London, die ihn mit zahlreichen Aufnahmen zu einem der beliebtesten Künstler der Unterhaltungsmusik seiner Zeit machte. Er war der erste deutsche Künstler bei der Decca, sein erster Titel war Die Fischerin vom Bodensee.


Die Aufnahmen entstanden in Zürich und in Genf. Will Glahé avancierte zum „Schellack-König“, es erschienen oft mehr als zehn Plattennummern unmittelbar hintereinander. Die Orchesterbesetzungen wurden wie früher je nach den Erfordernissen des Arrangements zusammengestellt. Auf der Besetzungsliste standen u. a. Hugo Strasser, Bert Kaempfert u. Hazy Osterwald. Will Glahé avancierte zu einem Star der 1950er-Jahre und ging seinen erfolgreichen Weg weiter. 1959 landete er mit der Liechtensteiner Polka, komponiert vom Kölner Rudi von der Davenmühle, einen weiteren überwältigenden Erfolg. Jahre zuvor gab es Auftritte in den USA, dort spielte Glahé mit seinem Orchester zusammen mit den Bands von Glen Miller und Fats Domino.

Mitte der 1950er-Jahre kam ein weiteres Musikfeld hinzu. Unter dem Pseudonym Karl Erpel verfasste Will Glahé auch Karnevalsschlager und volkstümliche Gesangstitel. So entstanden u. a. Am 30. Mai ist der Weltuntergang, Heidewitzka Herr Kapitän und Gib Acht auf den Jahrgang. Er verstand es, rheinische Gemütlichkeit und Frohsinn in Musik umzusetzen.

WILL GLAHE IM SIEGKREIS

Am 3. September 1947 zog Will Glahé mit seiner Frau Josefine von Garmisch-Partenkirchen nach Ruppichteroth-Kammerich in den damaligen Siegkreis. Will Glahé probte mit seinem Orchester zeitweise im Gasthof Schorn; im Saal des Hotels zur Krone hat er mindestens ein Konzert gegeben. Er galt als strenger Dirigent, doch war er bei der Ruppichterother Bevölkerung als „bodenständiger Mensch“ sehr beliebt. Ende 1950 verlegte er seinen Wohnsitz nach Hennef, dort baute er ein Haus. Zehn Jahre später ließ er sich in der Schweiz, in Unterengstringen bei Zürich, nieder. 1974 zog es ihn und seine Frau jedoch zurück in die alte Heimat, ins Rheinland, wo er sich in Rheinbreitbach niederließ. Dort starb er 1989 und wurde auf dem Waldfriedhof in Bad Honnef-Rhöndorf beigesetzt.

Rosamunde bzw. The Beer Barrel Polka war sicher sein beliebtestes Stück. Es gab kaum ein Unterhaltungsorchester oder einen Unterhaltungskünstler in der Welt, die dieses Stück nicht im Repertoire hatten. Interpretationen des Hits finden wir beispielsweise bei dem großen amerikanischen Pianisten Liberace, der es in seinen Shows in Las Vegas spielte, oder in einer Version von James Last.

Im Laufe seiner Karriere bekam Will Glahé 17 Goldene Schallplatten und viele weitere Auszeichnungen. Seine Aufnahmen sind aus den Sammlungen der Freunde historischer Schallplatten nicht wegzudenken. Nicht zuletzt hat auch das Akkordeon, das Will Glahé meisterhaft spielte und das in seiner Musikproduktion einen bevorzugten Platz einnahm, zu seiner Bekanntheit und zu seinem Erfolg beigetragen. Es war ein für seine Zeit typisches und sehr populäres Instrument.

Auf der Internetseite www.bilderbuch-ruppichteroth.de von Wolfgang Eilmes, dem dieser Beitrag wertvolle Anregungen, Hinweise und Informationen verdankt (Gleiches gilt für die Homepage grammophon-platten.de von Yannik Reinartz), berichtet Helmut Zimmermann aus Berlin (früher: Hotel zur Krone, Ruppichteroth) über die Zeit mit Will Glahé: Nach dem Krieg wohnte der bekannte Akkordeonist und Orchesterchef Will Glahé in Kammerich, Willi Sauer hatte er als Fahrer eingestellt. Will Glahé suchte Kontakt zur einheimischen Bevölkerung und kam zum Kegeln zu dem Kegelklub „Hä wackelt“ und kegelte dort jeden Freitag mit. Ich erinnere mich noch genau an die Kegelabende, denn ich bediente die Kegelbrüder. Damals war der Keglerpräsident Josef Schorn „ Joso“, die Kegelbrüder waren Jakob Peters „Apo“, Wilhelm Bickenbach, Willi Schmidt „Kommissar“, Max Zilles, Walter Willach, Otto Willach, Dr. August Boquar, Dr. Willi Ritter. Herr Glahé bekam immer zum Bier einen Bierwärmer, ein kleines metallenes Röhrchen gefüllt mit warmem Wasser–  das war besser für den Magen. Die Kegelbrüder baten Herrn Glahé doch mal sein Akkordeon mitzubringen und darauf zu spielen. Nach langem Drängen brachte er eines Abends dann doch noch sein Akkordeon mit, wollte aber erst noch gar nicht darauf spielen, erst nach langem Drängen spielte er dann doch noch. Zu dieser Zeit stellte er ein neues Orchester zusammen und übte immer bei Willi Schorn in der Gaststätte. Eines Tages kam er zu meiner Mutter und fragte, ob er bei uns im Saal so etwas wie eine Generalprobe für seine geplante erste Tournee nach dem Krieg mit Publikum veranstalten könnte. Er hatte nicht nur sein neues Orchester für die Tournee dabei, sondern ein komplettes Varietéprogramm aufgestellt mit Entertainer, Zauberkünstler usw. Der Saal war voll und die Leute begeistert....

Link zu youtube: https://www.youtube.com/watch?v=153F9geOvBs

Der Artikel ist erschienen im JAHRBUCH DES RHEIN-SIEG-KREISES 2015, S. 122-125.

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